Das Lächeln des Täters
								Wenn man im Internet OFENMÖRDER und BREMEN eingibt,
											dann stößt man schnell auf Berichte über einen Mord vor 20 Jahren.
											So im stern 2004:“ Die Intelligenz-Bestie – (es folgt der volle Name.)
											Er kommt aus gutem Hause, ist überdurchschnittlich begabt – und soll drei
											Menschen ermordet haben. Das letzte Opfer wollte der junge Familienvater
											und Sadomasochist in einem Ofen verbrennen.“
										
								Der Frage nach der Person des Täters geht auch unser Buch nach.
											Geschrieben von Axel Petermann, einem ehemaligen Profiler der Bremer Kripo
											und Claus Cornelius Fischer, einem Roman- und Drehbuchautor. Betont wird
											von Petermann ausdrücklich die fiktive Seite des Buches, auch wenn der Verlag
											marktschreierisch von einem packenden True-Crime-Thriller über die Abgründe
											des Bösen spricht. Auch in den vorigen Bestsellern über reale Mordfälle, 
											„Auf der Spur des Bösen“, „Im Angesicht des Bösen“, „Der profiler“ geht Petermann der Frage
											nach der menschlichen Seite des Bösen nach. Siehe Rezensionen im Archiv.
											Sensationslust und Eitelkeiten meidet er. Das ist wohltuend.
										
								Auch wenn der fiktive Kommissar in der Kindheit den Glauben hatte:
											Das BÖSE existiert nur aus einem Grund – um vom Guten besiegt zu werden.
											Jetzt bekennt er: Jeder neue Tatort, jeder unaufgeklärte Mord, jedes Verbrechen
											war ein weiteres Puzzleteil in dem großen Bild des Scheiterns der Menschheit
											seit Anbeginn. Bei einer Autobahnfahrt guckt er auf unbekannte, die berühmten normalen Menschen
											und überlegt, wozu sie fähig sind. Solche Stimmungen können in einem Roman
											gut wiedergegeben werden.
										
								Medien folgen nur allzu gern der Sensationslust. So auch der Weser-Kurier vom 7.10.2018
											mit der Überschrift „ Die Faszination des Bösen“, faszinierend vor allem für Journalisten,
											die den vermeintlichen Abgrund zwischem normalem Familienleben und dem
											eiskalten Killer betonen. Hier liegen Petermann und die Journalistin falsch,
											der Täter war in der Familie ausgesprochen dominant und autoritär, der Abgrund dient
											nur der journalistischen Dramaturgie, wie so oft, siehe oben.
										
								Gerade in der Fiktion sind Näherungen möglich. Dialoge und innere Monologe kann
											es so nur im Roman geben. Unsere Autoren versuchen sich auch in Deutungen,
											ohne sich fest zu legen, das ist gut so.
											Ferndiagnosen wie Schizophrenie, Borderline, Narziss, Sadismus möglichst mit dem
											Zusatz anal wg. Freud, Psychopath, Soziopath, der Übermensch aus der Philosophie
											von Nietzsche, treffen manchmal zu. Auch wenn es wissenschaftliche Begriffe sind
											erklären sie oft nicht allzu viel, Begriffe wie Killer und Bestie schon gar nicht.
										
								Die Autoren betonen die besondere Empathielosigkeit des Täters. Er bricht nicht mal
											aus der „Normalität“ aus. Es handelt sich um einen besonderen Typus, der seine
											Rechte einer höheren Ordnung über das Leben aller anderen stellt. Dieser faschistische
											Typus wurde insbesondere von Theweleit in den Männerphantasien vor 40 Jahren
											dargestellt. Eine "Verwandtschaft" gibt es mit dem Massenmörder Breivik in Norwegen,
											dessen schreckliche Taten allgemein als Irrsinn gelten.
										
								Der Täter war laut Gutachten schuld- und zurechnungsfähig. Wegen der besonderen
											Schwere der Schuld ist die vorzeitige Entlassung ausgeschlossen.
											Das Buch endet: Er möchte, dass ich im Geist sein Lächeln sehe, während er die Liste
											schreibt. Ich soll sein Lächeln spüren und mich fragen, was sich dahinter verbirgt.“
											Mein Schluss hieraus lautet, hier kommt der fiktive Kommissar dem tatsächlichen
											Täter sehr nahe.
										
								Wilfried Grünhagen
											Oktober 2018